Von Science Fiction zur Wirklichkeit: Willkommen am Holodeck

TU-Immersive Deck

Bereits in der zweiten Star Trek-Serien-Auflage „Das nächste Jahrhundert“, die erstmals im September 1987 ausgestrahlt wurde, trat das sogenannte Holodeck in Erscheinung: Dieses wurde als „Raum, der Simulationen und virtuelle Welten mittels holografischer Projektion erzeugt“ definiert. Mittels einer Simulation, „die so perfekt ist, dass sie fast nicht von der Realität unterschieden werden kann“, dienten diese auf Raumschiffen befindlichen Einrichtungen im Star Trek-Universum zu Übungs-, Forschungs-, und Freizeitzwecken, aber auch zur Simulation von medizinischen Eingriffen. (vgl. Wikimedia Foundation Inc., 2017 und Memory Alpha, 2017 )


Erklärungsvideo: Star Trek Vorlesung (Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=BCiv3Y9005E)

Inspiriert durch diese Idee beschäftigt sich heute eine Gruppe von Wissenschaftlern u.a. an der TU Wien – Abteilung Interactive Media Systems mit der Schaffung von begehbaren, virtuellen Welten – genannt „immersive deck“. In Kooperation mit dem Berliner Unternehmen „Illusion Walk KG“ arbeitet man seit 2013 an der Entwicklung der ultimativen „immersiven Erfahrung“. Auch wenn heute noch der Komfort der erforderlichen, technischen Hilfsmittel verbesserungswürdig ist und die Interaktion auf visuelle Eindrücke beschränkt ist, sieht das Unternehmen großes Potential. (vgl. Illusion Walk KG, 2017)


Imagevideo: Illusion Walk (Quelle: https://youtu.be/GxeWyuvVzeA)

Wer braucht heute (k)ein Holodeck?

Die Zielsetzung all dieser Bemühungen ist es, virtuell erlebbare Welten zu erschaffen, die entweder so in der Wirklichkeit nicht „baubar“ wären oder die noch nicht oder nicht mehr existieren. Auch das „Zusammenbringen“ von Plätzen, die in der Realität räumlich weit voneinander entfernt sind oder deren Besuch in der realen Welt zu teuer bzw. zu aufwändig wäre, wird durch diese Technologie möglich.
Die davon ableitbaren Anwendungsbereiche – abgesehen vom Ursprung der Entwicklung – dem Gaming – sind entsprechend vielseitig: Im Immobilienbereich wird die Begehung, Einrichtung und Gestaltung noch nicht existenter Objekte ermöglicht. In Showrooms diverser Autoanbieter können Fahrzeuge besichtigt werden, die noch nicht bestehen, aber bereits mit der vom Kunden gewünschten Individualausstattung versehen sind. Das Segment Tourismus kann durch eine virtuelle Sparte an „immersiven“ Fernreisen und Museumsbesuchen zu interessanten Plätzen und Ausstellungen erweitert werden, Einsatzkräfte können virtuelle Einsatzsituationen gefahrenlos simulieren und so ihre Fähigkeiten trainieren. Mehr zum Stand der neuesten Anwendungen und zukünftiger Entwicklungen in einzelnen Branchen werden wir in diesem Blog in weiterer Folge detailliert vorstellen.
(vgl. TU-Wien, 2017a)

Wie funktioniert das eigentlich?

Die Technik hinter dem Konzept ist rasch erklärt: der Benutzer trägt eine VR-Brille (HTC-Vive), die an einen am Gürtel oder am Rücken mittels Rucksack angebrachten Laptop verbunden ist. Mittels im Raum angebrachter QR-Codes und einem 3D-Real-Time-Tracking-System Anhand von am Kopf und Körper angebrachten Markern erkennt das System die Position des Benutzers im virtuellen Raum, der Rechner liefert die entsprechende Bilder. Auch eine gleichzeitige Benutzung des „immersive decks“ mehrerer Personen ist möglich. Die physische Präsenz und Bewegung im virtuellen Raum verbessert die Wahrnehmung von Größen und Distanzen im Vergleich zu herkömmlichen VR-Anwendungen oder Projektionen – das eigene Schrittmaß wird zur Referenz wodurch der Benutzer seine Aufmerksamkeit gut fokussieren kann.

TU-Immersive Deck

(c) TU-Westlicht

Das System in Action – eine Probantin unterwegs am Holodeck

Limitationen

Auch wenn der virtuelle Raum unendliche Möglichkeiten bietet, so gibt es heute noch eine Reihe von Einschränkungen zu berücksichtigen:
Einerseits ist hier sicher der begrenzte Tragekomfort zu berücksichtigen – während das Star Trek Crew-Mitglied keinerlei Hilfsmittel benötigt, um in die virtuelle Welt des Holodecks einzutauchen, müssen am „immersive deck“ Brille, Anzug und Rechner am Körper mitgetragen werden. Auch wenn diese Technologie dezidiert für große Räume gedacht ist, kann zwar die Illusion unendlicher Weiten erschaffen werden, jedoch enden diese naturgemäß an den physikalischen Grenzen des Raumes. Durch die Benutzung mehrerer Personen im gleichen Raum kann es zu möglichen Kollisionen kommen. Während dies bei einer gegenseitigen „Sichtbarkeit“ im (gleichen) virtuellen Raum noch kein Problem darstellt, wird die Situation komplexer, wenn sich Personen auf unterschiedlichen virtuellen, aber der gleichen, physischen Ebene bewegen. Hier gilt es, die Benutzer umzuleiten und aneinander „vorbei zu mogeln“.

Das allgemein bekannte Phänomen der Cybersickness ist selbstverständlich auch am „immersive deck“ ein Problem. Ausgelöst durch die Tatsache, dass die VR-Brille bei einem Perspektivenwechsel zB durch eine Kopfbewegung eine gewisse „Latenz“ im Ausspielen des richtigen Echtzeit-Bildes hat und der visuelle Sinn bei der menschlichen Wahrnehmung dominiert, kommt es zu einer erhöhten Augenbelastung, Kopfschmerzen und Übelkeit. Experten empfehlen daher Sessions mit einer maximalen Dauer von 30 Minuten bei einer Bildgeschwindigkeit von mindestens 60 fps. Ob Adaptionseffekte auftreten können und ob es Dauerfolgen gibt, ist auf Grund mangelnder Langzeitstudien noch nicht bekannt.

Die letzte Limitation liegt in der Einschränkung des Blickfelds durch die Verwendung von Brillen als Wiedergabemedien. Das natürliche Blickfeld des Menschen liegt horizontal bei ca. 180 °. Aktuelle VR-Brillen wie die Oculus Rift, die HTC Vive oder die Sony Playstation bringen es immerhin schon auf rd. 100 °. Fakt bleibt jedoch: je größer das Blickfeld, desto besser. Hier gibt es also noch Verbesserungsbedarf. (vgl. VR-Nerds GmbH, 2017)

Ausblick

Die umfassenden Forschungsaktivitäten im Bereich VR lassen für die Zukunft noch großartige Entwicklungen erwarten: So arbeitet ein 25köpfiges Team in Atlanta an einem Handschuh mit haptischem Feedback, der die Größe und die Form von virtuellen Gegenständen ertastbar machen soll. (vgl. Kickstarter PBC, 2017)
An der TU Wien geht man sogar noch einen Schritt weiter und arbeitet am „Robot supported VR/AR“ mit der Zielsetzung, eine neues, noch besseres haptisches Erlebnis mit Hilfe eines Roboters zu erzeugen. Die grobe Idee dabei ist, dass der Roboter dem Benutzer dort Gegenstände reicht, entgegenhält bzw. den Benutzer berührt, wo er es in der virtuellen erwarten würde. Dies soll die Illusion der Virtualität besonders bei der Interaktion mit Objekten wesentlich verbessern. (vgl. TU-Wien, 2017b)


Hier sieht man, wie Robot supported VR funktionieren kann (Quelle: https://youtu.be/vOQqPLcWNgM)

Das amerikanische Institute for Creative Technologies beschäftigt sich damit, die Begrenzung virtueller Decks mit Hilfe von Manipulation der menschlichen Sinne zu erweitern bzw. diese größer erscheinen zu lassen. Auch hier macht man sich die starke, visuelle Prägung des Menschen zunutze, indem man den Benutzer durch S-Kurven und Abzweigungen bzw. der Verkürzung von Winkeln im wahrsten Sinn des Wortes „im Kreis“ gehen lässt. So lassen sich durch das sogenannte „redirect walking“ flexible, überlappende und somit platzsparende Räume schaffen. Bei diesem Thema stehen die Forscher allerdings noch am Anfang und beschäftigen sich mit den theoretischen Grundlagen dazu. (vgl. Institute for Creative Technologies, 2017)

 

Fazit

Zusammengefasst zeigt sich, dass sich trotz aller Einschränkungen in der Forschung sehr viel bewegt und in den nächsten Jahren viele spannende Entwicklungen und Anwendungen zu erwarten sind, welche sicher im Gaming-Bereich eingesetzt werden können, später möglicherweise auch in vielen anderen Branchen. Abschließend möchte ich bemerken, dass einige hier erläuterte Informationen Teil eines von mir besuchten Vortrages vom 26.4.2017 im Museum WestLicht zum Thema „Virtual und augmented reality“ von Dr. Hannes Kaufmann (TU) stammen. Er schloss diesen mit den für mich sehr wahren Worten: „Das wichtigste Ist, dass die virtuelle Umgebung das Vertrauen und die Akzeptanz des Benutzers gewinnt.“ Dieser Meinung kann ich mich als Marketier vollinhaltlich anschließen. Schließlich muss der Köder dem Fisch schmecken, und nicht dem Angler.

Quellen:

Institutsseite TU-Wien, 2017a: „Projects“
URL: https://www.ims.tuwien.ac.at/research/virtual-and-augmented-reality/projects [Stand 24.05.2017]

Institutsseite TU-Wien, 2017b: „Robot Supported Virtual und Augmented Reality“
URL: https://www.ims.tuwien.ac.at/projects/robotvr [Stand 24.05.2017]

Institutsseite University of Southern California, 2017: „Stretching Space: Redirected Walking“
URL: http://projects.ict.usc.edu/mxr/work/stretching-space-redirected-walking/ [Stand 24.05.2017]

Redaktion Memory Alpha, 2017: „Holodeck“
URL: http://de.memory-alpha.wikia.com/wiki/Holodeck [Stand 24.05.2017]

Redaktion VR-Nerds GmbH, 2017: „VR Brillen Vergleich“
URL: http://www.vrnerds.de/vr-brillen-vergleich/ [Stand 24.05.2017]

Redaktion Wikimedia Foundation Inc., 2017: „Star Trek“
URL: https://de.wikipedia.org/wiki/Star_Trek [Stand 24.05.2017]

Unternehmensseite „Illusion Walk KG“, 2017: „Company“
URL:  https://www.illusion-walk.com/company/ [Stand 24.05.2017]

 

Unternehmensseite Kickstarter.com, 2017: „VR-Gluv – Touch, Hold and Interact in the Virtual World“
URL: https://www.kickstarter.com/projects/vrgluv/vrgluv-touch-hold-and-interact-in-the-virtual-worl/?ref=kicktraq [Stand 24.05.2017]

 

 

«
»

Hinterlasse ein Kommentar:

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.